Man sieht einfach gar nichts und segelt trotzdem so vor sich hin. Wie fühlt sich das an?
Wir haben Portland/Maine am späten Vormittag verlassen. Herrliches Wetter und auch der Wind wäre von seiner Stärke her ganz gut, doch er ist etwas südöstlicher als vorhergesagt. Für uns ist das eher nicht so gut. Mit der Strömung, die in die Bay of Fundy, der großen Bucht nordwestlich von Nova Scotia mit den weltweit höchsten Tidenunterschieden (13m) hineinstrebt, werden wir eher an der Küste von Maine entlang getrieben als Richtung Osten, hin zum Cape Sable, der südwestlichsten Ecke von Nova Scotia.

Gegen Abend dreht der Wind für uns günstiger, dafür allerdings ist er nicht so kräftig wie erhofft. Die Nacht ist dunkel, man sieht die Hand vor den Augen nicht, später kommt noch Nebel hinzu und außerdem wird es ziemlich kalt. Unser Cockpitzelt spendet zumindest guten Windschutz.
Einzig und allein unsere elektronische Seekarte, das Radar und das Schiffsortungsgerät (AIS) sind unsere Augen. Aber das AIS wird von vielen Fischern gemieden. Meist sind sie auch nicht beleuchtet, aber das ist egal, denn man würde sie trotzdem nicht sehen.
In der Situation ist immer einer auf Wache, sitzt im Cockpit und schaut dauernd auf den Bildschirm. Alle 20-30 Minuten stellt man am Radar die Distanzringe neu ein, damit man andere Schiffe früh erkennt und man setzt einen Marker an der Stelle wo sie sich gerade befinden. Die Fischer nerven einen dann besonders, denn sie kurven völlig unberechenbar (für uns!) kreuz und quer durch den Ozean.
Am Cape Sable ist eine größere Flotte von Fischern unterwegs, ca 30 Schiffe die ihre Netze auslegen. Wir müssen jetzt doppelt aufpassen, denn es ist nicht zu spaßen wenn man in eines der Netze fährt. Die Fangleinen können sich leicht im Ruder oder in der Motorschraube verfangen und man wird im schlimmsten Fall manövrierunfähig.
Wir sind froh, dass der Wind nachgelassen hat und wir unter Motor fahren. Wir müssen innerhalb eines Augenblicks den Netzbojen ausweichen können. Zum Teil ist es wie Slalomfahren, wobei man nicht weiß, wann der nächste Stock kommt.
Aber nach der Umrundung gibt es wieder freie Fahrt. Die Nacht war sehr anstrengend und wir verzichten auf unser Ziel Halifax und segeln in die herrliche Marina von Shelburne. Kaum sind wir im Fjord, lichtet sich mit jeder Minute der dichte Nebel, man erkennt Land und Bäume und überhaupt die Schönheit des Landes hier. Nach 50 Stunden, zwei Dunkel-Nächten und dichtem Nebel am Tag: Blauer Himmel und Sonnenschein in den frühen Morgenstunden.

In der Marina liegt bereits die norwegische Albicilla III, die auch auf dem Weg nach Grönland ist. Sie haben sich unterwegs gleich zweimal Fischerleinen eingefangen. Mit dem eigenen starken Beiboot schleppten sie sich in die Shelburne Marina. Gerade bei unserem Einlaufen stieg ein Profitaucher aus dem Labrador-kalten Wasser. So gesehen haben wir bis dahin Glück gehabt. Allerdings sollte es ganz so wohl gesonnen nicht bleiben.
Unterwegs in Nacht und Nebel ist man mit allen Sinnen auf der Hut, aber gleichzeitig ist es so ein Gefühl, sich dem Schicksal zu ergeben. Vielleicht so, wie man sich im Flieger fühlt oder im Städtischen Bus, wenn man nicht selbst am Steuer ist.