Shitstorm und andere glückliche Malaisen

Wir sitzen ganz entspannt beim Sundowner zusammen mit einem spanischen Seglerpaar im Cockpit der Saphir und tauschen die verrücktesten Segelabenteuer aus. Die Stimmung ist gut und es wird viel gelacht. Das Cockpitzelt (=Kuchenbude) ist zum Schutz gegen den stärkeren Wind aufgeschlagen. Es ist sehr gemütlich so geschützt mit guten Weinen und kleinen Häppchen zusammenzusitzen bis der Sonnenuntergang längst in den späten Abend übergegangen ist. Von Zeit zu Zeit klingt es so, als ob jemand ein großes Glas Wasser auf die Zeltplane schleudert.

Honi soit qui mal y pense!

Am nächsten Morgen dann der erste Blick aus dem Cockpit: überall Vogelscheiße! Grauenhaft, graue, grüne, weißliche Schlieren, kleine und große Haufen, auf dem Bimini (=Sonnensegel), auf dem Teakdeck und am ekelhaftesten auch gegen unsere Kajütfenster. Es stinkt gottserbärmlich.

Die erste große Reinigung mit Eimer, Bürste und Salzwasser (vor dem Frühstück!) bringt nur mäßigen Erfolg. Die Flecken und vor allem der Gestank bleiben. Wollten wir ursprünglich am Tag zu einem neuen Ankerplatz segeln, geben wir das Vorhaben auf und laufen stattdessen in die Dysart-Marina in Southwest Harbor ein. Den ganzen Nachmittag sind wir mit Putzen beschäftigt. Am Abend ist die Welt wieder in Ordnung.

Die Übeltäter, die diesen Pearl Harbor Angriff auf die Saphir geflogen haben entstammen der Gattung Phalacrocorax carbo, zu deutsch Kormoran – eigentlich ganz possierliche ungefähr Enten große Vögel. Die große Frage lautet: War das Absicht, so zielgenau und strategisch ausgewählt die Saphir zu bombardieren? Im Internet wird man nicht wirklich fündig. Wissenschaftlich belegt ist nur eine Studie, die besagt, dass Vögel bevorzugt auf rote Autos sche…n. Der einzig rote Fleck ist unsere Schweizer Flagge 🇨🇭, aber die wurde nicht getroffen. Sie hängt weit oben an unserem Achterstag. Und außerdem waren die Einschläge überall verteilt. Eine andere Theorie besagt, dass die Vögel im Flug unbedingt energieaufwendiges Gewicht sparen müssen und sich deshalb erleichtern. Meine Theorie ist, dass die Trefferwahrscheinlichkeit mit dem Quadrat der Entfernung von ihren Sammelplätzen abnimmt. So gesehen hätten wir vielleicht doch auf die Mooringboje verzichten sollen, die relativ nahe bei dem Schwimmkörper lag, auf dem sich jeden Abend eine erkleckliche Anzahl dieser stolzen Vögel versammelt hat. Das nächste Mal werden wir darauf achten.

Doch die Vögel haben uns auch zu einem insgesamt 3-tägigen Marinaaufenthalt verholfen. Die Reste des Hurrikans Ida haben uns zwischenzeitlich erreicht. Nachdem New York mehr Regen erhalten hat als jemals zuvor gemessen wurde gab es die Hoffnung, dass es deutlich weniger wird, wenn der Sturm bis zu uns weiter gezogen ist. Davon ist nichts zu merken. Seit Mitternacht gießt es in Strömen und wird wohl nochmals solange anhalten. Dazu wehen um die 20 Knoten Wind. Aber die Saphir liegt sicher vertäut am Pier und wir genießen die Gemütlichkeit bei laufender Heizung unter Deck. So gesehen sind wir den Kormoranen dankbar.

Ansonsten gibt es nicht viel Aufregendes. Außer, dass die Druckleitung unseres Wassermachers geplatzt ist und wir nun auf einen Ersatzschlauch aus Trinidad warten und, dass wir immer noch an einem Kurztrip nach Kanada herum planen. Nun soll tatsächlich die Grenze am 7. September aufgemacht werden. Man braucht neben dem Impfnachweis noch einen Test für 175 $. Wir würden schon gerne mal reinschnuppern, denn immerhin soll es in der nächsten Saison ja genau da hin gehen.

2 Gedanken zu “Shitstorm und andere glückliche Malaisen

  1. Isabel Trautwein

    Toll geschrieben! Große Betroffenheit. Shitty. Seid lieb gegrüßt!

  2. Das mit den Kormoranen ist ja ein Albtraum, vor denen werde ich mich in Zukunft hüten. Drücke Euch die Daumen dass es klappt mit Kanada.

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