Sommelijeh in Natalie‘s

Auswärts essen in den USA sorgt selten für größere Überraschungen. Die Szene ist klar strukturiert. Unten ist Fast Food, in der Mitte kommen Burger Restaurants, also das gleiche wie in Fast Food Läden, aber mit Teller und Besteck und dafür deutlich teurer. Sie bieten meist noch Nudelgerichte an, die vermeintlich italienische Vorbilder haben an die sie sich leider geschmacklich nicht mehr erinnern können. Dazu gibt es aber noch regionale Besonderheiten auf der Karte. Hier in Maine sind es die berühmten Lobster Rolls. Die bestehen aus klein geschnittenem Lobster und einem Brötchen, das wir bereits von den Hot Dogs kennen. Die Brötchen sind ein Newton’sches Medium: Egal wie man sie drückt und knetet, sie gehen immer in ihre Ausgangsform zurück. Lobster Rolls sind eine Kombination aus teurem Lobsterfleisch mit diesem Medium.

In der Top-Gruppe gibt es meist nichts, es sei denn man ist in New York unterwegs.

Doch, wir hatten Glück. Im schönen Camden gibt es, neben den oben beschriebenen tatsächlich ein Restaurant in herrlicher Lage über der Bucht und mit weißen Tischdecken: Natalie‘s.

Es ist gut besucht. Jeden Abend gibt es drei Zeiten zu denen man einen Tisch reservieren kann. Und man kann sicher sein, dass man für ein Viergänge-Menü (plus Desert) niemals länger als zwei Stunden braucht. Planungssicherheit!

Man wird von der Empfangsdame an seinen Platz begleitet, sie übergibt einem die Menükarten und dann tauchen nacheinander der Kellner, die Kellnerin, der Restaurantmanager und der Sommelier auf. Alle stellen sich mit ihrem Vornamen vor und freuen sich unsäglich, dass man den Weg ins Restaurant gefunden hat und wie schön unser Besuch sei.

Wir entscheiden uns für das Lobster-Menü. Dazu kann man „Wine Pairing“ und „Premium Wine Pairing“ wählen. Klar, wenn man schon mal so eine Perle außerhalb von New York findet, muss es Premium sein. Das Leben ist zu kurz für schlechten Wein.

Sophia ( „Good evening, I am Sophia, your Sommelijeh for this evening“) kredenzt den ersten Wein. Sie erzählt eine kurze Geschichte wie er schmeckt, was das Besondere ist und woher er kommt. Man kommt nicht umhin zu denken, dass sie gerade eben erst den Vierzeiler zum Wein auswendig gelernt hat, bevor sie ihn am Tisch ausschenkte. Sie sagt auch, mit einem langen Blick auf das Etikett, dass der Wein aus dem französischen Jura stammt, einem berühmten Weinanbaugebiet nördlich von Lyon. OK, wir geben ihr noch eine kurze Nachhilfe in französischer Geographie und freuen uns schon auf den nächsten Gang.

Später gibt es noch einen deutschen Weißwein aus dem Elsass (Hugel & Fils). Nun wäre eigentlich Nachhilfe in deutsch-französischer Geschichte notwendig um zu erklären, dass zwischenzeitlich die Grenze an den Rhein verlegt wurde.

Dann endlich ein Rotwein aus kalifornischer Provenienz -heimisches Terrain sozusagen. Aber auch der hat es in sich. Es ist ein Rafael et fils, ein von allen Seiten gelobter Rotwein. Das Weingut wird wird als kalifornisches Gut mit europäischen Wurzeln eingeführt. Das kann man machen, aber die Franzosen wären damit natürlich nicht ganz glücklich. Zumal Sophia den Namen wie Rafael and Fijj ausspricht. Damit sind dann auch die Töchter Rafaels eingeschlossen. Gut, in Zeiten des Genderings… Sie wird etwas unsicher und beim nächsten Mal sagt sie Rafael and files, also Rafael und seine Akten.

Und so bekommt man zu einem wirklich köstlichen Essen mit hervorragenden Weinen in einem tollen Restaurant in bester Lage noch ein kleinen Einblick in die Welt der amerikanischen Sommeliers. Sie haben es wahrlich nicht leicht. Und man kann verstehen, wenn sich die Franzosen nicht nur über amerikanisch-australische Atom-U-Boot-Deals echauffieren.

Wir sind inzwischen schon ziemlich nah an Portland/Maine, unserem Winterlager. Das Wetter hat umgeschlagen und wir liegen für drei Tage im Christmas Cove an einer Boje. Die Saison ist definitiv vorbei. Es gibt kaum mehr Schiffe die nicht den Einheimischen gehören. Montag scheint die Sonne wieder dann geht es ein paar Meilen weiter. Der Herbst in Maine ist wunderschön.

I am not calling from prison

Unser kurzer Segeltrip nach Yarmouth/Kanada lässt sich in vier Phasen einteilen:

Die wichtige Vorbereitungsphase

Seit Beginn der diesjährigen Segelsaison träumen wir von einem Törn nach Kanada. Allein die Corona-bedingten Einreisebestimmungen machten uns die Planung kompliziert. Früh war klar, dass zwar US-Amerikaner mit Impfung und PCR-Test ab August einreisen dürfen, aber galt das auch für den deutschen Ehemann einer Amerikanerin? Wir suchten verzweifelt nach Auskunft, zuerst bei der Canadian Border Control. Allerdings waren die im Internet angegebenen Telefonnummer irgendwie nie besetzt oder immer besetzt. Dann versuchten wir direkt eine kanadische Grenzstation an Land zu erreichen – vergeblich. Eine weitere Runde waren eine Email an die kanadische Botschaft in Berlin mit der Antwort, dass dafür die österreichische Botschaft in Wien zuständig sei. Diese wiederum antwortete mit einem Link auf eine Webseite die wir schon längst gefunden hatten, die aber keine Antwort auf unsere Fragen lieferte. Ok, dann fragen wir die US-Amerikaner, die sich allerdings nur für die Einreise nach USA zuständig erklärten. Am 1. September dann die offizielle Entscheidung, dass ab dem 7. September für alle einreisen nach Kanada möglich sei, vorausgesetzt man ist 2 mal geimpft und kann einen höchsten 72 Stunden alten PCR-Test nachweisen.

Die wichtigen Voraussetzungen schaffen

In den USA wurden sehr viele Testzentren mangels Nachfrage wieder geschlossen. Das nächste Zentrum zu unserem Ankerplatz in Bar Harbor lag im 35 km entfernten Ellsworth. Der Versuch dorthin mit einem Bus zu reisen war unmöglich. Samstag und Sonntag fahren keine ÖFFIS. Also wir beißen in den sauren Apfel und wollen ein Taxi nehmen. Auch das geht nicht, denn am Wochenende fährt nur eines von fünf und das ist komplett ausgebucht. Am Ende nehmen wir unsere Fahrräder und genießen eine in weiten Teilen herrliche Fahrt über Land, nur entlang der großen Straßen herrscht viel Verkehr. Die großen F150er Ford Pick-ups sind bedrohlich. Aber alles klappt tadellos und wir bekommen unseren Test. Sicherheitshalber rufen wir noch bei der US Border Control an um uns zu vergewissern, dass unsere Ausreise ok ist. Von Ihnen kommt grünes LIcht.

Die wichtige Ankunft im kanadischen Yarmouth

Am Nachmittag des 7. September 2021 kommen wir in Yarmouth/Nova Scotia an. Wunderschöner Fischerhafen mit Platz am Schwimmsteg für 3 Yachten. Die Saison ist längst vorüber (eigentlich gab es gar keine wegen der Reisebeschränkungen), es gibt also Platz. Dann gehen wir zum Büro der Einreisebehörde, aber es ist niemand da. An der Scheibe klebt ein Zettel mit einer Nummer, die man anrufen kann – Anrufbeantworter. Als wir zum Schiff zurückkommen werden wir bereits von zwei Uniformierten empfangen. Erst die Belehrung: wir hätten das Schiff nicht verlassen dürfen. Dann der Hinweis, dass wir eine Telefonnummer anrufen müssen um einen 10-stelligen Code zu erfahren. Dann könnten sie die Formalitäten erledigen. Ok! Nachdem sie weg waren rufen wir die Nummer an (eine Nummer für alle nicht-US-Amerikanischen Einreisenden für ganz Kanada!). Eine Stunde lang liegt das Telefon auf dem Tisch und es erklingt die immer gleiche Bitte um Geduld. Dann kommen unsere beiden Grenzpolizisten wieder. Gemeinsam warten wir eine weitere Stunde am Telefon, wir unterhalten uns sehr nett, aber passieren tut nix. Am Ende reisen wir als „Commercial Ship“ ein. Dazu braucht es keinen Code. Wir versprechen ihnen in die Hand keinen Handel zu betreiben.

Die wichtige „you are in a big mess“-Ankunft in den USA

Nach der Rückkunft in Southwest Harbor/Maine am 15. September tippen wir alle Daten in die ROAM-App der US Border Control ein und bekommen nach fast 30 Stunden immer noch ein „approval pending“. Also anrufen. Die Jungs sind stink sauer. Internationale Einreisen in die USA sind nur aus bestimmten Ländern (z.B. Costa Rica) erlaubt, Kanada gehört nicht dazu. Nach vielem Hin und Her wird klar, dass nicht Katrin das Problem ist (Amerikaner dürfen immer nach Hause) sondern ich. Nach gut eineinhalb Stunden Telefonat und der Mail an den Officer mit einem Foto unserer Heiratsurkunde bekommen wir endlich unser ersehntes Approval. Zwischen drin haben wir schon befürchtet, dass ich sofort ausgewiesen werde (illegal immigrant) oder erst mal ins Gefängnis komme oder 10.000 $ Strafe zahlen muss.

Und wie war Kanada?

Toll!

Wer mehr darüber erfahren will sollte uns auf FaceBook (Saphir Sailing) oder Instagram (saphirsailing) folgen.

Shitstorm und andere glückliche Malaisen

Wir sitzen ganz entspannt beim Sundowner zusammen mit einem spanischen Seglerpaar im Cockpit der Saphir und tauschen die verrücktesten Segelabenteuer aus. Die Stimmung ist gut und es wird viel gelacht. Das Cockpitzelt (=Kuchenbude) ist zum Schutz gegen den stärkeren Wind aufgeschlagen. Es ist sehr gemütlich so geschützt mit guten Weinen und kleinen Häppchen zusammenzusitzen bis der Sonnenuntergang längst in den späten Abend übergegangen ist. Von Zeit zu Zeit klingt es so, als ob jemand ein großes Glas Wasser auf die Zeltplane schleudert.

Honi soit qui mal y pense!

Am nächsten Morgen dann der erste Blick aus dem Cockpit: überall Vogelscheiße! Grauenhaft, graue, grüne, weißliche Schlieren, kleine und große Haufen, auf dem Bimini (=Sonnensegel), auf dem Teakdeck und am ekelhaftesten auch gegen unsere Kajütfenster. Es stinkt gottserbärmlich.

Die erste große Reinigung mit Eimer, Bürste und Salzwasser (vor dem Frühstück!) bringt nur mäßigen Erfolg. Die Flecken und vor allem der Gestank bleiben. Wollten wir ursprünglich am Tag zu einem neuen Ankerplatz segeln, geben wir das Vorhaben auf und laufen stattdessen in die Dysart-Marina in Southwest Harbor ein. Den ganzen Nachmittag sind wir mit Putzen beschäftigt. Am Abend ist die Welt wieder in Ordnung.

Die Übeltäter, die diesen Pearl Harbor Angriff auf die Saphir geflogen haben entstammen der Gattung Phalacrocorax carbo, zu deutsch Kormoran – eigentlich ganz possierliche ungefähr Enten große Vögel. Die große Frage lautet: War das Absicht, so zielgenau und strategisch ausgewählt die Saphir zu bombardieren? Im Internet wird man nicht wirklich fündig. Wissenschaftlich belegt ist nur eine Studie, die besagt, dass Vögel bevorzugt auf rote Autos sche…n. Der einzig rote Fleck ist unsere Schweizer Flagge 🇨🇭, aber die wurde nicht getroffen. Sie hängt weit oben an unserem Achterstag. Und außerdem waren die Einschläge überall verteilt. Eine andere Theorie besagt, dass die Vögel im Flug unbedingt energieaufwendiges Gewicht sparen müssen und sich deshalb erleichtern. Meine Theorie ist, dass die Trefferwahrscheinlichkeit mit dem Quadrat der Entfernung von ihren Sammelplätzen abnimmt. So gesehen hätten wir vielleicht doch auf die Mooringboje verzichten sollen, die relativ nahe bei dem Schwimmkörper lag, auf dem sich jeden Abend eine erkleckliche Anzahl dieser stolzen Vögel versammelt hat. Das nächste Mal werden wir darauf achten.

Doch die Vögel haben uns auch zu einem insgesamt 3-tägigen Marinaaufenthalt verholfen. Die Reste des Hurrikans Ida haben uns zwischenzeitlich erreicht. Nachdem New York mehr Regen erhalten hat als jemals zuvor gemessen wurde gab es die Hoffnung, dass es deutlich weniger wird, wenn der Sturm bis zu uns weiter gezogen ist. Davon ist nichts zu merken. Seit Mitternacht gießt es in Strömen und wird wohl nochmals solange anhalten. Dazu wehen um die 20 Knoten Wind. Aber die Saphir liegt sicher vertäut am Pier und wir genießen die Gemütlichkeit bei laufender Heizung unter Deck. So gesehen sind wir den Kormoranen dankbar.

Ansonsten gibt es nicht viel Aufregendes. Außer, dass die Druckleitung unseres Wassermachers geplatzt ist und wir nun auf einen Ersatzschlauch aus Trinidad warten und, dass wir immer noch an einem Kurztrip nach Kanada herum planen. Nun soll tatsächlich die Grenze am 7. September aufgemacht werden. Man braucht neben dem Impfnachweis noch einen Test für 175 $. Wir würden schon gerne mal reinschnuppern, denn immerhin soll es in der nächsten Saison ja genau da hin gehen.