Die Passage von Vagur auf der südlichsten Faröer Insel bis nach Stornoway im Norden der schottischen Hebriden hatte es nochmals in sich. Wir konnten tatsächlich nicht auf das beste Wetterfenster warten – falls so eines in dieser Jahreszeit überhaupt nochmals kommen würde. Wir starten morgens gegen 8 Uhr in dichtem Nebel, immerhin waren wir froh, dass es nicht auch noch regnete. Solange wir innerhalb des kurzen Fjords bleiben (und motoren) ist alles ruhig. Draußen sind wir dann sofort im ersten Reff und bald darauf im Reff II. Es bläst ordentlich und leider nicht aus der bevorzugten achterlichen Richtung sondern von „schräg vorne“. Dazu noch die beliebte nordatlantische kurze steile hohe Welle. Das war es dann wohl – zum Essen wird es bis zur Ankunft am nächsten Nachmittag nur noch Äpfel geben.

Tatsächlich empfangen uns Schottlands nördliche Hebriden mit dem schönsten sommerlichen Wetter. Wer hätte das gedacht! So also fühlt sich Sommer an, blauer Himmel, türkises Meer, laues Lüftchen, grüne Küste mit Bäumen! Das hatten wir zuletzt in Nova Scotia.
In Stornoway klarieren wir ein. Die Nachwirkungen vom Brexit sind noch zu spüren. Der Prozess ist noch in der Überarbeitung und keiner weiß so richtig wie das geht. Nach einigen Telefonaten ist aber auch das geschafft und wir dürfen mit der Saphir 18 Monate im Vereinigten Königreich bleiben. Das ist großzügig im Vergleich zu unseren US-Freunden, die vor kurzem in Portugal angekommen sind. Die Europäische Union erlaubt ihnen nur einen Aufenthalt von 6 Monaten.
Um von Stornoway nach Fairlie Quay zu segeln muss nicht nur der Wind passen, jetzt sind wir auch noch mit richtigen Tidenströmungen konfrontiert, die auch unter Motor nicht ignoriert werden können. Der Vorteil ist, dass wir nicht mehr über Nacht gehen müssen, der Nachteil, dass wir immer mehr unter Zeitdruck geraten um unsere Termine zu Auswasserung und Rückflug zu halten. Also noch 4 Hüpfer à 60 Meilen.
Die Saphir hat über die ganze Reise zwar ein paar Schönheitsnarben erhalten, aber wir waren nie in ernstzunehmenden Problemen, selbst kein Kühlschrank in Grönland war machbar. Doch jetzt, auf den letzten Metern verweigert sie uns das Ausholen des Großsegels. Gut, zum Teil ist der Wind wieder so stark, dass wir auch unter der Genua gut vorankommen und den Rest machen wir halt unter Motor.
Vor dem Auswassern haben wir einige Tage Zeit, die Saphir gründlich auf ihr Winterlager vorzubereiten. Die Hauptarbeit besteht dann vor allem aus Putzen – Bodenbretter, Matratzen, Schränke alles raus, Deck reinigen, Segel runter, Wassermacher konservieren und vieles mehr.
An den Abenden feiern wir mehrmals wehmütigen Abschied von unseren Buddy-Schiffen – Isolde und Gabor von der Kestrel, Sally und Miles von der Hiraeth und Fiona und Jon von der Misty Mhor.
Und dann bringt die Queen unseren Zeitplan durcheinander. Ihr Staatsbegräbnis wird zum offiziellen Bankholiday an dem keiner arbeitet. Am Montag den 19. September wollten wir um 8.15 Uhr bei Hochwasser an den Kran. Die karnevalistische Veranstaltung (Achtung Spoiler! Der „Postillion“ schlug vor wegen des großen Publikumserfolges im Vereinigten Königreich den Sarg auf Welt Tournee zu schicken) durchkreuzt unsere Pläne. Alles verschiebt sich um einen Tag nach hinten.

Nun aber ist die Saphir aus dem Wasser, der Mast wird bald gelegt und dann kommt sie in die NATO-Halle – jawoll Herr Kaleu! Tatsächlich haben die Schotten während des zweiten Weltkrieges an dieser Stelle U-Boot-Fangnetze durch den Clyde gespannt um zu verhindern, dass deutsche U-Boote den River Clyde hinauf bis nach Glasgow in Schleichfahrt nehmen. Später hat die NATO ein großes Pier und eine Riesenhalle gebaut. Vor 10 Jahren ist die Anlage allerdings zu einer großzügigen Werft „umgebaut“ worden. In der Halle haben über 120 Boote Platz.
An Land gibt es gar nicht mehr so viel zu tun. Motor und Generator müssen noch für den Winter vorbereitet werden, die Wassertanks leergepumpt und außerdem müssen wir noch den letzten britischen Catch 22 lösen.
Wir haben vier eigene nichtrostende Aluflaschen zum Betrieb unseres Propangasherdes. Aber unser Gas ist alle. Das Füllen war auf der ganzen Welt kein Problem bis auf Island, wo ausschließlich isländische Flaschen mit einem isländischen Verschluss gefüllt werden und auf den Faröern, die Flaschen nur tauschen oder verkaufen, weil sie alle Flaschen zum Füllen nach Dänemark schicken. Die Britten haben es auf die Spitze getrieben: Sie geben volle Flaschen ausschließlich im Tausch gegen leere ab. Wir haben keine leeren britischen Flaschen. Man kann auch keine leeren Flaschen kaufen. Es gibt einfach keine. Ein Rat war, sie auf dem Schrottplatz zu suchen…

Wir haben eine 7 kg-Flasche von Freunden geliehen. Sie hatten auch den UK-EU-Adapter. Wir haben gelernt, dass man mit einer 7 kg Flasche innerhalb von 10 Minuten eine 2.7 kg Flasche füllen kann. Aber danach geht nix mehr. Druckausgleich! Für unsere vier 2.7 kg-Flaschen brauchen wir also vier 7 kg Flaschen. Wir brechen das Experiment nach der ersten Flasche ab und hoffen, dass sich die Gaskrise bis im April nächstes Jahr gelegt hat.
Den letzten Abend vor dem Rückflug verbringen wir in Glasgow. WOW! Großstadt! Das gab es seit Halifax nicht mehr. Was für ein Trubel und die vielen Menschen und Autos. Willkommen zurück.
Hat aber auch was Gutes! Ein Sternerestaurant: Unalome by Graeme Cheevers.

Wir stoßen an – auf eine unglaubliche, unvergessliche Segelreise mit der Saphir.
Im April 2023 segeln wir weiter.