Flip-flops oder Daunenjacke

Seit unserer Ankunft in Grönland haben wir einen Teil der Südwestecke erkundet. Überraschend für uns, weil gänzlich unerwartet ist das schöne Sommerwetter. Wir hatten bisher fast immer Sonnenschein bei langen Tagen. Aber, wenn ein Wind geht, und das ist häufig der Fall, dann ist die Daunenjacke angesagt. Oder man sucht sich eine windgeschützte Ecke und ist in t-shirt und Flip-flops.

Man ist eigentlich immer falsch gekleidet. Auf unseren sehr ausgedehnten Wanderungen über die steilen Berge zwischen den Fjords kommt man ins Schwitzen. Lässt man sich zum Picknick mit atemraubenden Panoramen nieder, wird es schnell wieder jackenkalt.

Wir sind begeistert von einer weitgehend unberührten Landschaft. „Städte“ wie Qarqotoq oder Nanortalik, die ganzjährig bewohnt sind haben zwischen 100 und 500 Einwohnern. Im Moment liegen wir an einem kleinen Pier des Dorfes Appilattoq (50 Einwohner) im Päckchen mit der kanadischen Kestrel.

In den zwei Wochen sind wir in mehrere Fjords bis zu ihrem jeweiligen Ende vorgedrungen. Es ist erstaunlich: trotz der Eisberge ist das Wasser (10°) und die Umgebungstemperatur (10-16°) relativ warm. Die Nächte allerdings sind kalt. Das begrüßen wir, denn unser Kühlschrank hat kein Kühlmittel R134a mehr und wir mussten ihn abstellen. Wir lagern unser Gemüse und unsere Getränke unter dem Schiffsboden bzw. stellen den Kühlschrankinhalt über Nacht ins Cockpit.

Es gibt eine heiße Quelle mit einem Pool zum Planschen. Eine Stunde haben wir darin verbracht, denn warmes Wasser auf der Saphir ist ein rares Gut und das Duschen darf nur 3-5 Liter Wasser verbrauchen.

Wir sind in den Prince Christian Sound eingefahren (Wassertemperatur 5°) . Er sei der Beagle-Kanal des Nordens und schneidet sozusagen die Südspitze von Grönland ab. Das erspart uns die Umrundung des sehr stürmischen und berüchtigten Cape Farvels.

Vor uns liegen nun 500km unbewohnte Ostküste. Auch die bisher relativ genauen Seekarten sind passé. Es gibt noch ein paar Beschreibungen von Ankermöglichkeiten, aber auch die können schon mal 3 km von den Karten abweichen. Außerdem studieren wir weiterhin jeden Tag die Eiskarten. Bis ca. 150 km nach Nordosten scheint es frei von Treibeis zu sein, wenngleich wir mit einer großen Anzahl von Eisbergen und den etwas kleineren Crawler im Schlepptau rechnen müssen. Wir hoffen, dass wir möglichst weit nach Norden vorstoßen können. Das würde auch die Passage nach Reykjavik deutlich verkürzen.

Und das heißt, dass wir bis zu unserer Ankunft in Reykjavik kein Zugang zu Internet und Telefon haben werden.

Ikerasatsiaup Nuna

Montag 4. Juli 2022 Bang Havn.

Wir hatten großen Respekt vor der Passage von Südost-Labrador nach Südwest-Grönland. Wir schätzten 600 Nautische Meilen (knapp 1100 km) bzw. 100 Stunden. Die Entscheidung wann ein guter Zeitpunkt zum Sprung ist beschäftigte nicht nur uns, sondern die ganze Gruppe der 7 Segelschiffe die mehr oder weniger den gleichen Absprung- bzw. Ankunftsort ausgesucht hatten. Man sucht die beste Lücke zwischen zwei Tiefdruckgebieten. Gehen wir zu früh müssten wir mit noch starken Winden und vor allem Wellen zu Beginn rechnen, starten wir zu spät erwischt es uns vor der grönländischen Küste oder das nächste Tief rollt uns von hinten auf. Außerdem wäre es gut die Eisberggebiete vor den Küsten von Labrador und Grönland eher bei Tag zu passieren. Tag ist von vier bis 23 Uhr und dazwischen ist es so hell, dass man fast noch die Zeitung lesen könnte.

Nachtrag zum kaputten Generator in Battle Harbour

Wir entschieden uns für den Mittwoch, 29. Juni 2022 um 4.30 h zum Start ab Battle Harbour zusammen mit der schottischen Misty Mhor. Das Ziel hieß Paamiut. Tatsächlich hatten wir eine ziemlich ruhige Passage, zu Beginn am Tag durchaus mit T-Shirt Wetter. Unterwegs entschieden wir zusammen mit der Misty Mhor das etwas südlicher gelegene Cape Desolation anzusteuern. Am Sonntag, den 3. Juli um 9.30 Uhr fiel der Anker im Bang Havn, am Ende des in der Überschrift genannten Fjords, einer sehr einsamen Bucht, dafür aber mit einem grandiosen Panorama.

Pünktlich zum Nachmittag zog sich der Himmel ganz zu, der Wind wurde stärker und es fielen vereinzelte Schneeflocken. Am Abend und in der Nacht hatten wir Starkregen, der bis heute Nachmittag (Montag 4. Juli) anhält, Winde bis knapp 30 kn und es ist bitter kalt.

Welcome to Greenland!

Jetzt gibt es neue Herausforderungen:

Die eine ist die sehr ungewöhnliche Sprache. Es ist fast unmöglich sich mit den anderen per Sprechfunk über Ortsnamen entlang einer Route zu unterhalten. Außerdem kann man sich die Namen definitiv nicht merken. Im Sprechfunk sind wir dazu übergegangen anstatt der Orte die Seitenzahl und Kennnummer des Ortes in unseren Pilot-Büchern zu nennen. Beispiel: Eqalugaarsuit oder 172,17.

Die weitere Herausforderung ist natürlich immer noch das Wetter, jetzt aber insbesondere die Eissituation. Die Eisdichte wird auf einer Skala von 1-10 angegeben. Unser „Pleasure Craft“ kann noch „1“, ein starker Eisbrecher schafft nicht mehr als „8“. In Abhängigkeit von Wind und Strömung kann sich die Eissituation stündlich ändern. Am Ende der Fjords münden die Gletscher und kalben. Je nach Aktivität treiben dann kleine und große Eisberge den Fjord hinunter und können für uns das Befahren unmöglich machen. Auch beim Ankern möchte man nicht in den Wettbewerb mit Eisbergen kommen, die sich ziemlich penetrant mit einer Geschwindigkeit von 4 Meilen pro Tag ihren Weg bahnen.

Morgen wollen wir weiter. Doch heute Abend wissen wir noch nicht welches Ziel wir tatsächlich ansteuern können, Narssaq oder Qaqortoq, oder ob wir schon früher einen guten Ankerplatz ansteuern müssen. Was wir allerdings wissen, ist dass es den ganzen Tag Regen gibt. Dafür ist der Wind dann runter auf 5-8 kn. Die ganze Strecke dauert 10-12 Stunden. Wir werden uns warm anziehen müssen.

7.Juli 2022

Wir sind bis Narsaq durchgekommen, trotz der 3er-Eissituation. Weil das Wasser spiegelglatt war konnten wir auch die teils sehr durchsichtigen Eisschollen erkennen.

Narsaq. Wir liegen im 4. Päckchen. Gut, dass die Schiffe dort nicht häufig bewegt werden.

Der Kleine Hafen ist rammelvoll. Wir liegen in vierter Reihe im Päckchen. Jetzt ist erstmal Landerkundung (Supermarkt, Bank, Wanderwege) angesagt.