Barbuda: Irma serviert nur Lobster zum Abendessen

Es ist eine traurig schöne Geschichte. Wir haben in den vergangenen Tagen unsere bisher nördlichste Insel in den kleinen Antillen erreicht: Barbuda!

Barbuda ist im Gegensatz zu den bisherigen Inseln ein flaches Gebilde aus Korallensand. Die höchste Erhebung, Castle Hill, beträgt 27 m. Die Insel hat gut zweitausend Einwohner. Barbuda ist berühmt für seine Kilometer langen Sandstrände, noch unberührten Zugang zum Meer, aber auch für die Vorliebe von manchem Hollywoodstar in einem der zwei Fünfsterne-Hotel-Anlagen (eine mit eigenem Airstrip) dringend benötigten Urlaub zu verbringen. Und Barbuda ist berühmt für die besten Lobster in der ganzen Karibik.

Das alles ist Vergangenheit. In Barbuda ist im letzten Jahr der Hurrikan ‚Irma‘ zum ersten Mal auf Land gestoßen. Die Einwohner wurden rechtzeitig nach Antigua evakuiert. In wenigen Stunden wurden 95% aller Gebäude zerstört. Kaputt die gesamte Infrastruktur, keinen Strom, kein Wasser, kein Abwasser, keine Müllentsorgung, keine Einkaufsmöglichkeiten, keine Schule, kein Feuerwehrhaus, kein Hotel, keine öffentliche Toilette, kein Polizeigebäude, keine Restaurants – alles kaputt. Zum ersten Mal seit 300 Jahren ist die Insel unbewohnt.

Wir kommen an einem Nachmittag an, ankern in der Cocoa Bay direkt vor einer Ferienanlage. Das Ausmaß der Verwüstungen ist für uns kaum zu fassen. Wie Mikadostäbchen liegen die Palmen kreuz und quer, die Gebäude ohne Dächer, ohne Wände, Möbel und Matratzen herausgeschleudert. In manchen schrägen Regalen stehen noch die halbvollen Flaschen vom Barbetrieb. Und davor ein Sandstrand von allerfeinster Qualität, blendend weiß, Muschelsammlers‘ Delight.

Ein Paradies nach einer Naturkatastrophe!

Es gibt wieder Menschen, nicht nur die Segler von den 5-7 Schiffen, die in der weitläufigen Bucht vor Anker liegen, sondern auch von den ursprünglichen Einwohnern. Sie kehren langsam zurück. Die Schätzungen liegen bei 400-500 Heimkehrern.

Aber was wird aus den verwüsteten Hotelanlagen? Wir starten Traumprojekte! Drei Jahre auf der Insel leben und beim Aufbau helfen, was könnte man alles Schönes daraus machen, nachhaltig, sturmsicher, ökologisch vorbildlich. Es gibt Schätzungen, dass man ungefähr 100 mio. Dollar benötigt um die Insel wieder aufzubauen. 100 mio. Dollar, das ist gerade mal ein Drittel des Kaufpreises einer Superyacht die sich ein einziger Superreicher leistet. Doch außer dem ‚World Food Program‘ der UNO gibt es keine Hilfe.

An einem frühen Abend besuchen wir die Insel und auch das einzige Restaurant, das wieder aufgebaut wurde. Levy John, ein Tausendsassa und Allesorganisierer holt uns mit seinem schnellen 60 PS-Dinghi ab. Dann geht es mit einem Pick-up weiter über betonierte Straßen, bis zum Restaurant gleich neben dem 200 Jahre alten Wachturm aus massiven Steinen. Auch der eine Ruine, aber er hat dem Wirbelsturm widerstanden – und ist, wenn man so sagen kann, vollkommen intakt geblieben.

Die Straße ist zu beiden Seiten gezeichnet von zerstörten Häusern, manche wieder notdürftig zusammengeflickt. Viele Bewohner hausen in Zelten in ihren Gärten.

Das ‚Restaurant‘ entpuppt sich als eine liebevoll zusammengezimmerte Bretterbude am paradiesischen Strand. Der Strom kommt vom Generator, das Wasser aus großen Plastikflaschen. Auf der Karte steht nur ein einziges Menu: Lobster.

Die Lobsterzucht, weil geschützt unter Wasser, hat Irma nahezu unbeschadet überstanden.

Ein Schiff zum Mieten und andere Katastrophen

Seit unserer Rückkunft aus Europa begleitet uns für die kommenden zwei Wochen unser Freund Tom. In der Zwischenzeit sind wir in Antiqua gelandet. Die Inseln der kleinen Antillen liegen wie an einer Perlenschnur aufgereiht und sind nie mehr als ein Segeltag voneinander entfernt. Dazu kommt, dass der Passatwind beständig weht und uns immer ein bay-to-bay Segelvergnügen beschert – für uns Ex-Mittelmeermotorer ein besonderes Vergnügen.

Vor einer guten Woche sind wir in Martinique gestartet und zur nächsten Insel – Dominica – nach Norden gesegelt. Dominica wurde letzten September vom Hurrikan Maria – Kategorie 5 – mitten ins Herz getroffen. Zwischenzeitlich geht die Infrastruktur wieder, doch alle Wälder, Ortschaften, Flusstäler und Straßen sind noch deutlich von der Katastrophe gezeichnet. Die Wälder wurden komplett entlaubt, nahezu alle Dächer abgedeckt, in den Flusstälern, die zum Teil dicht bebaut waren ganze Häuser einfach vom Geröll und Dreck überrollt. Wir können uns nur schlecht vorstellen, welches Drama sich da in wenigen Stunden ereignet hat. Und doch sind die Menschen optimistisch und stolz auf ihre schöne Insel.

Mit der Saphir liegen wir einige Tage an einer Boje im der Prince Ruppert Bay gut schützt im Nordwesten. Von da aus machen wir Ausflüge über die Insel. Sie ist trotz des Hurrikans von großer Wildheit und Schönheit. Die Berge sind hoch und steil und überall gibt es Wasserfälle die zum Baden einladen. Wir nehmen auch ein Bad in einer der heißen Schwefelquellen und gumpen durch eine enge, eingegrabene Bucht. Mit dem Boot und Führer, der uns rudert geht es hinauf den Indian River, einem wunderschönen Naturreservat durch den grünen Dschungel. Motoren ist nicht erlaubt. An der letzten Anlegestelle gibt es ‚Dynamite‘, was immer das ist. Jedenfalls ist Rum in einer nicht erinnerbaren Menge darin.

Am Morgen, bevor wir den Anker lichten noch ein Ereignis der dritten Art. Im Angesicht der Katastrophe rudert ein Kanu an uns vorbei, gefolgt von einem mittelgroßen Tenderboot mit 3×275 PS Motoren – zwei Mann an Bord zur Sicherheit für den Kanuten. Der Herr im Kanu (ein New Yorker Immobilientycoon) zieht seine Kreise durch die Bucht – sein Tender immer gut 20 m hinter ihm – und legt am Ende der Fitnessübung an seiner Yacht an.

Die Welt ist voller Gegensätze und unbegreiflich. Doch es kommt noch abstruser.

Wir segeln mit Hochgenuss nach Norden zur Insel Gouadeloupe bzw. zu den kleinen Vorinseln ‚Les Saints‘, die Kolumbus zu Allerheiligen im Jahre 1494 zum ersten Mal gesichtet und nach dem gleichnamigen Tag getauft hat. Im Strandrestaurant, die Füße im Sand, genießen wir die französische Karibik.

Weiter geht es nach Norden zum nächsten Ankerplatz, gar nicht weit von der Stelle an der Jacques Cousteaux seine berühmten Taucherfilme gedreht hat. Und manchmal holt uns das tropische Wetter ein – Sonnenschein und schöner Wind und dann ein Platzregen, der seinem Namen alle Ehre macht.

Gestern dann, nach unserer Ankunft in Falmouth Harbour/Antiqua der ultimative Beweis warum Karl Marx irgendwie doch recht hatte. Wir liegen gerade vor Anker und genießen unseren Apero als die ‚Garcon à ACE‘ an uns vorbeizieht und den Hafen verläßt. Die Garcon à ACE ist ein sogenanntes Support Vessel zu einer großen Yacht. Unter den Yachtbesitzern hat sich die Erkenntnis durchgesetzt, dass das Personal eigentlich nur zum Arbeiten auf der Eigentümeryacht sein sollte und sonst dort nichts zu suchen hat. Also gibt es die Support Vessel. Die ‚Garcon‘ ist 67 m lang, an Deck gibt es vier Schnellboote, die im Handumdrehen ins Wasser gelassen werden können und einen Helikopter – und Kabinen für das Personal. Die dazugehörige private Yacht, die ‚ACE‘ (Kaufpreis geschätzt 300-400 mio, maximale Gästeanzahl: 12) kann man mieten – für 1,65 US-$ … pro Sekunde. Das macht 1.000.000 US-$ pro Woche, allerdings fallen noch ein paar zu vernachlässigende Nebenkosten zusätzlich an. Der Besitzer ist ein durch Fracking reich gewordener amerikanischen Milliardär. Wir glauben, dass der Preis prohibitiv hoch ist…doch wer weiß das schon.

Und weil es so schön ist in Antiqua kommt auch noch die ‚M5‘ vorbei. Das ist mit 245 Fuß die längste private Slup (=Einmaster) der Welt, die im übrigen auch das größte je auf einem Segelschiff eingebaute Spa beherbergt.

Und weil es noch schöner ist in Antiqua schauen wir von unserer Bucht aus in der Dunkelheit in die Marina. Wir zählen 17 Masten mit roten Anker-Toplichtern. Rote Ankerlichter dürfen nur Segelyachten setzen deren Masthöhe 25 m plus beträgt. Die Länge der sich darunter befindlichen Schiffe können wir nur noch erahnen. Natürlich ist nicht nur das Top beleuchtet. Solche Yachten beleuchten ihren ganzen Mast. Daher ist unser Blick der gleiche wie jener in Ludwigshafen wenn man bei Nacht auf die BASF schaut. In jedem Fall ist Antiqua eine überzeugende karibische Antwort auf Porto Cervo in Sardinien.

Und ich werde wohl etwas mehr Karl Marx lesen. Er ist aktueller denn je.